Interview

Ursula Mehrländer und Nichte

_

Ehemalige Politikerin | Bewohnerin

Wie gefällt Ihnen Ihr Alltag hier in St. Fridolin?

UM: Alltag? Ja, hab ich. Die lacht (zeigt auf ihre Nichte). Das geht aber nicht, ne. Ich bin noch nie ausgelacht worden.

N: Das ist nicht auslachen, sondern deine Antwort war so pfiffig und du hast wie Albert Einstein eben deine Zunge rausgestreckt.

UM: Einstein. Das war seine Macht. Die Pfiffigkeit, das war was Besonderes.

N: Was würdest du sagen, wie findest du das, dass du von Hannover hierhin nach Lörrach umgezogen bist?

UM: Ja, ich finde das sehr schön. Die Landschaft ist sehr schön. 

N: Ja, und von deinem Fenster hast du ja auch einen schönen Blick auf den Weinberg.

UM: Wein finde ich nicht gut, wegen Saufen. Männer saufen das.

N: Wir hatten an Pfingsten Spargel und dazu Weißburgunder, nur angestoßen. Ein kleines Schlückchen, und dann Wasser.

Sie waren ja auch in der Vergangenheit sehr aktiv, unter anderem mit der Frauen-Union (Ursula Mehrländer war Mitgründerin der Frauen-Union in Hannover, Anm.)

UM: Hab ich gegründet. Das ging ziemlich rund damals. Männer wurden betrachtet als links oder rechts.

Können Sie sich noch daran erinnern an diese Zeit, wie die Ausgangssituation war?

UM: Es ging ganz simpel um Selbständigkeit. Ohne Männer. Die Männer haben gestaunt damals. Ich hab gedacht: „Lass sie staunen, Hauptsache, ich mache.“ Wichtig war mir auch im Landtag, dass ich was sagen kann. Wenn ich reinkam, mussten die aufstehen. Und hatte ich ihr Gehör, dann konnten sie sich setzen, und dann ging’s rund.

Was waren das für Themen damals?

UM: Gleichberechtigung. Das ist besser als nur Frauenrechte. Wo sind denn dann die Männer? Dann werden die verrückt und das geht auch nicht. Die Männer mussten ein bisschen zurückgedrängt werden. Die haben dann gemerkt: Ohne Frau ist auch nix. Da hab ich zwar keinen Stock gehabt, aber ich hab gesagt, was Sache ist.

N: Wenn ich das als Nichte so sagen darf: Eine gewisse Eigenwilligkeit hattest du schon immer.

UM: So bin ich von meinem Vater erzogen worden. Er hat immer gesagt: Du bist zwar kein Junge, aber du musst so tun als ob.

Darf ich da nochmal kurz einhaken: Haben Sie ein Lebensmotto?

UM: Lebensmotto? Friede, Freude … (überlegt) Friede, Freude und was sagen. Energisch sein. Wenn ich was sage, dann muss das auch gemacht werden. Das geht nicht anders. Diese Stärke, das musste auch sein, denn ich war ja nicht besonders groß.

N: Was mich nochmal interessiert, dass du damals gesagt hast, du ziehst von Hannover hierher nach Lörrach. Warum?

UM: Hier ist es wärmer. Und da oben war ja keiner mehr.

N: Ja, wir waren hier, also mein Vater und ich, das war ja dein Bruder (ist im Sommer 2018 verstorben, Anm.).

Haben Sie denn etwas, das Ihnen hier am besten gefällt?

UM: Ja, ich bin sehr glücklich, hier zu sein. Hier gibt’s immer interessante Leute und man hat auch zu essen. Wobei das Essen Nebensache ist. Trinken ist glaube ich besser, aber keinen Alkohol. Damit kommste durcheinander.

N: Erzähl doch noch ein bisschen was über St. Fridolin. Wenn ich anrufe, sagst du immer, wie sehr du dich freust, hier zu sein.

UM: Hier bin ich in Freiheit. Freiheit, die ich meine, Die mein Herz erfüllt, Komm’ mit deinem Scheine, Himmelsbild (rezitiert ein altes deutsches Volkslied, dessen erste Strophe in der Originalfassung auf „Süßes Engelsbild“ endet, Anm.).

Was heißt das für Sie genau?

UM: Gott. Gott ist der Höchste.

N: Du hast ja immer gesagt „Ich gehe nie in ein Seniorenzentrum“. Und dann kamst du hierher und warst positiv überrascht. Du hast ja hier eine Freiheit erlebt, dass du gesagt hast: „Das passt“.

UM: Ja. Ich bin begeistert. Du bist ja ein schöner Mann (zum Interviewer). Gehst du dann wieder weg?

N: Ja, das ist ja sein Beruf. Er ist ja Texter.

UM: Texter? Die formulieren. Also, ich formuliere ganz gut, oder?

Ja, bis jetzt schon. Das Gespräch macht ja auch Spaß. Macht’s Ihnen denn auch Spaß?

UM: Ja, ich find’s toll, weil, du bist ja ein schöner Mann.

N: (lachend) Ja, genau. Ein angenehmes Gegenüber.

N: Bereust du das, dass du von Hannover hier nach Süddeutschland gezogen bist?

UM: Nee, das bereue ich nicht.

Haben Sie denn das Gefühl, dass sich durch Ihre Arbeit mit der Frauenunion was verändert hat?

UM: Ja, natürlich. Die Freiheit der Frau ist schon wichtig gewesen. Eigenständigkeit im Geiste.  

N: Was ich schön fand, als du hierher gezogen bist, dass du gesagt hast: Die Mitarbeiter (:innen, Anm) hier sind wirklich freundlich.

UM: Ja, ich bin ja auch freundlich. Und wenn einer nicht freundlich ist, dann gehe ich in mein Zimmer und lese.